Geltende Normen: Herausforderungen bei der Planung der baulichen Barrierefreiheit“

Barrierefreiheit gewährleistet, dass alle Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, uneingeschränkt am öffentlichen Leben teilnehmen können. Doch obwohl es viele Normen und Vorschriften gibt, die Barrierefreiheit regeln, kann die Umsetzung in der Praxis zu einer großen Herausforderung werden. Besonders auffällig ist dabei, dass einige geltende Normen in Deutschland stark auf den Außenbereich ausgerichtet sind, während der Innenbereich oft weniger Beachtung findet. Wir sind als Hersteller von taktilen Leitsystemen keine Sachverständigen, arbeiten aber täglich mit den geltenden Normen und möchten hiermit einen Einblick in unsere tägliche Arbeit geben.

Die geltenden Normen: Fokus auf den Außenbereich

In Deutschland sind die zentralen Vorgaben zur Barrierefreiheit im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und in verschiedenen DIN-Normen verankert.

Die DIN 18040 ist in Deutschland die Grundnorm für das barrierefreie Bauen und Planen.

Ziel dieser Norm ist die Barrierefreiheit baulicher Anlagen, damit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind (nach § 4 BGG Behindertengleichstellungsgesetz).

Sie legt die Anforderungen an öffentlich zugängliche  Gebäude und Anlagen fest und unterscheidet dabei zwischen Wohnungsbau (DIN 18040-2) und öffentlich zugänglichen Gebäuden (DIN 18040-1) und öffentlichem Verkehrs- und Freiraum (DIN 18040-3).

Die DIN 32984 regelt die Gestaltung taktiler Leitsysteme im öffentlichen Raum, um Blinden und Sehbehinderten die Orientierung zu erleichtern. Sie definiert die Anforderungen für Bodenindikatoren, z. B. die empfohlenen Maße und Formen der Profile, die erforderliche visuelle Erkennbarkeit und den nötigen Leuchtdichtekontrast.

Auf europäischer Ebene spielt die EN 17210 eine wichtige Rolle. Sie stellt sicher, dass in allen Mitgliedsstaaten einheitliche Standards für die Barrierefreiheit gelten, was besonders für grenzüberschreitende Projekte und internationale Unternehmen von Bedeutung ist. Die EN 17210 enthält funktionale Anforderungen in Bezug auf die Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der baulichen Umgebung, während die DIN 18040 1-3 als Anwendungsnormen die technischen Leistungskriterien beschreiben.

Immer wieder erreichen uns Ausschreibungstexte oder Anforderungen, die auf den DIN-Standard verweisen. Dies ist allerdings nicht immer leicht für uns als Hersteller. 

Wo liegen die Grenzen und was kann ein taktiles Leitsystem leisten? Was ist für den Nutzer des Gebäudes sinnvoll? Wie stehen Kosten und Nutzen im Zusammenhang?

Herausforderungen bei der Umsetzung

1. Komplexität und fehlende Detailregelungen: Die Vielzahl an Normen führt häufig zu Verwirrung und Unsicherheit. Gerade im Innenbereich fehlen klare Vorgaben, was dazu führt, dass Planer oft improvisieren müssen. Dies führt zum Beispiel dazu, dass ein Leitsystem im Innenbereich eigentlich nicht nach DIN-Standards umgesetzt werden kann. Es gibt viele Varianten, die inzwischen umgesetzt wurden und die – wenn man ehrlich ist – ihren Zweck der Unterstützung wunderbar erfüllen. Es muss nicht immer genau nach DIN sein; es muss für die Nutzer des Gebäudes funktionieren. Oft fehlt es allerdings an Bewusstsein und Fachwissen über die Bedeutung und Umsetzung von Barrierefreiheit, insbesondere im Innenbereich. 

Hinzu kommt, dass Architekten, Planer und Handwerksbetriebe inzwischen zu wahren Allroundern rund um sehr viele Themen im Handwerk werden mussten. Das Thema der Barrierefreiheit ist sehr komplex. Gezielte Schulungen und Fortbildungen, um die Anforderungen der Barrierefreiheit vollständig zu verstehen und umzusetzen, können hier unterstützen. Verschiedene Anbieter wie zum Beispiel Nullbarriere.de (https://nullbarriere.de/), der Bfb (https://www.bfb-barrierefrei-bauen.de/) oder auch die Verbände des Blindenverbands (https://www.dbsv.org/) unterstützen hier sehr gerne. Der BfB hat auch eine Experten-Datenbank mit Kontaktdaten aufgebaut, die einen Überblick über Sachverständige gibt: https://www.bfb-barrierefrei-bauen.de/experten-datenbank

2. Individuelle Anforderungen und Bestandsgebäude: Innenräume sind oft individuell gestaltet und müssen den spezifischen Bedürfnissen aller Nutzer gerecht werden. Besonders bei Bestandsgebäuden kann die Nachrüstung barrierefreier Elemente mit baulichen Eingriffen verbunden sein. Die Anpassung an barrierefreie Standards erfordert daher meistens nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern auch kreative Lösungen, die sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend sind. Ein Aufmerksamkeitsfeld soll 60 cm tief sein, der Zugang ist aber nur 90 cm tief? Hier sind kreative und mutige Ansätze gefragt, wie solche Situationen gelöst werden können.

3. Kostendruck und wirtschaftliche Überlegungen: Barrierefreie Lösungen erfordern zusätzliche Investitionen. Dies kann gerade bei kleineren Projekten zu einem erheblichen Kostendruck führen. Oft wird übersehen, dass Investitionen in Barrierefreiheit langfristig wirtschaftliche Vorteile bieten, da sie eine breitere Zielgruppe ansprechen und die Zufriedenheit der Nutzer steigern. Warum dies so ist, haben wir in unserem letzten Blogbeitrag schon einmal näher erläutert.

Lösungsansätze und Best Practices

Um den Herausforderungen der Barrierefreiheit sowohl im Außen- als auch im Innenbereich zu begegnen, gibt es verschiedene Lösungsansätze:

  • Frühzeitige Planung und maßgeschneiderte Lösungen: Barrierefreiheit sollte von Beginn eines Neu- bzw. Umbaus in die Planung einbezogen werden, um spätere Anpassungen zu vermeiden. Maßgeschneiderte Lösungen, die auf die individuellen Anforderungen von Innenräumen eingehen, sind dabei besonders wichtig. Barrierefreiheit sollte nicht als nachträgliche Anpassung verstanden werden, sondern als integraler Bestandteil der Architektur. Durch die frühzeitige Einbeziehung von Barrierefreiheitsanforderungen können harmonische und funktionale Lösungen geschaffen werden, die allen Nutzern gerecht werden. 
    Wenn man mit offenen Augen durch öffentlich zugängliche Gebäude geht, sieht man wirklich spannende und auch gut umgesetzte Leitsysteme. Ein wunderbares Beispiel für eine gelungene Umsetzung ist die Oberfinanzdirektion in Münster, die zum Beispiel gar nicht mit klassischen Rippen- und Noppenstrukturen gearbeitet hat, aber von Anfang an das Thema in der gesamten Immobilie mitgedacht hat (Link zur Auszeichnung: https://www.ab-nrw.de/aktuell/45.html).
  • Entwicklung neuer Standards und Einbindung von Experten: Es besteht ein klarer Bedarf an erweiterten und detaillierten Normen für den Innenbereich. Die Zusammenarbeit mit Experten, die auf Barrierefreiheit spezialisiert sind, kann dabei helfen, praxisgerechte und normgerechte Lösungen zu entwickeln.
  • – Sensibilisierung und Weiterbildung: Schulungen und Informationsveranstaltungen können dazu beitragen, das Bewusstsein für Barrierefreiheit zu schärfen und das nötige Fachwissen zu vermitteln. Dies ist besonders wichtig, um sicherzustellen, dass sowohl Außen- als auch Innenbereiche den Bedürfnissen aller Nutzer gerecht werden.
  • Förderung und Anreize: Förderprogramme können helfen, die Umsetzung barrierefreier Maßnahmen zu erleichtern. Diese sollten konsequent genutzt werden, um den Kostendruck zu mindern und die Barrierefreiheit voranzutreiben.

Fazit

Barrierefreiheit ist ein Thema, das uns alle betrifft und die Grundlage für eine inklusive Gesellschaft bildet. Die geltenden Normen, die die technischen Umsetzungen regeln sollen, legen dabei ihren Schwerpunkt bisher oft auf den Außenbereich oder korrespondieren nicht eindeutig mit den DIN Normen für die Leistungsstandards in den baulichen Anlagen, was im Innenbereich zu Herausforderungen führen kann. Um eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, müssen klare und verbindliche Standards auch für Innenräume entwickelt werden. 

Wir als Hersteller von taktilen Leitsystemen aus Edelstahl setzen uns dafür ein, Lösungen zu bieten, die barrierefreie Zugänge gewährleisten. Wir unterstützen Sie gerne bei der Erfüllung der manchmal komplizierten Anforderungen an die Barrierefreiheit in öffentlich zugänglichen Gebäuden. Sprechen Sie uns gerne dazu an!